Was ist „Digitalisieren“ eigentlich?
Wahrscheinlich ist es Ihnen schon längst aufgefallen, bewusst wie unbewusst, dass sich unsere Welt in den letzten Jahren tatsächlich gänzlich verändert hat. Und zwar in allen Bereichen des Lebens, mit denen wir jeden Tag in Berührung kommen. Und man mag es kaum glauben: „Digitalisieren“ scheint dabei eine entscheidende und begründende Rolle zu spielen.
Ursprünglich war „Digitalisierung“ tatsächlich nur in einem rein technischen Kontext zu finden. Nämlich in der bahnbrechenden technischen Weiterentwicklung im Elektrotechnik-Bereich, analoge Informationen und Werte „digital“ speichern und verarbeiten zu können. Das hat damals in diesem Bereich eine Revolution ausgelöst, die aus meiner Sicht noch weitaus wichtiger für die heutige technologische, kulturelle und gesellschaftliche Entwicklung ist, als manch andere wichtige Erfindung wie z.B. die der Glühbirne oder der Dampfmaschine, die zu Ihrer Zeit ihre jeweils eigenen technologischen Revolutionen ausgelöst haben. Ich denke da mal nur an die Industrialisierung, Eisenbahn, das Auto etc. etc. Was aber keinesfalls bedeuten soll, dass die Menschen damals die Veränderung nicht eventuell genauso wahrgenommen haben, wie wir das heute tun bzw. ich gerade darstelle. Wer mehr über den technischen Kontext der „Digitalisierung“ erfahren möchte, kann vieles dazu gerne bei Wikipedia nachschlagen (Wikipedia).
Der bedeutende Unterschied der „Digitalisierung“ (wie wir sie heute mehrheitlich verstehen und erleben) gegenüber anderen technologischen Revolutionen liegt aber vor allem darin, dass sie in fast allen Bereichen der heutigen Zeit und auch bei vielen anderen Technologien Veränderungen hervorgerufen hat. Kaum eine technologische Weiterentwicklung hat in solch kurzer Zeit so tiefe Spuren im Leben der Menschen hinterlassen und wird noch für lange Zeit Veränderungen prägen, wie die „Digitalisierung“.
Ein einfaches Beispiel für den technologischen und teils gesellschaftlichen sowie kulturellen Wandel „alter Technolgien“ gefällig?
Eine durch die „Digitalisierung“ vollständig revolutionierte Technologie, die in der „neuen“ Form schon lange alltäglich ist und die „alte Technologie“ somit größtenteils abgeschafft hat, verdeutlicht das nebenstehende Bild. Sie erinnern sich? Es gab sie mal… Früher waren Kameras teuer, hatten Rollenfilme, mussten gehegt, gepflegt und vorbereitet werden, damit sie auch spontan einsatzbereit waren, wenn dann das gewünschte Motiv vor die Linse kam. Viele junge Menschen kennen das wenn überhaupt nur noch von Einwegkameras.
Sicherlich wird heute auch noch „analog“ fotografiert, dass aber doch sehr selten und meist nutzen diese Technologie professionelle Fotografen oder andere Spezialanwender. Der Otto-Normalverbraucher nutzt eigentlich fast nur noch die digitalen Möglichkeiten, die mittlerweile in vielen Geräten mit ursprünglich anderen technologischen Absichten verbaut sind.
Nehmen wir das Telefon – das war ja mal nur zum Telefonieren und zum Übermitteln von Textnachrichten gedacht. Oder das Tablet – ich begegne immer öfters Menschen an eher ungewöhnlichen Orten damit, sogar in der Schwimmhalle werden damit Fotos geschossen. Das Notebook wird oft für Videokonferenzen oder Videotelefonie genutzt. Oder schauen wir auf den Fernseher – Gestensteuerung, Videotelefonie und so weiter sind da keine Seltenheit mehr
Die „Digitalisierung“ im heute verstandenen Sinne beschreibt aber nicht nur den technologischen Hintergrund, sondern eher auch den gesellschaftlichen und kulturellen Wandel, der mit der ständig verfügbaren digitalen Möglichkeit einhergeht.
Nähern wir uns den Hintergründen etwas an…
Da haben wir schon ein erstes Schlagwort, das neben anderen die „Digitalisierung“ im heutigen Sinne ausmacht: Ständige Verfügbarkeit von digitalen Informationen. Auf Vorteile/Nachteile gehen wir später im Blog-Beitrag „Digitalisierung – Vor- und Nachteile“ ein.
Was meine ich aber mit dem gesellschaftlichen und kulturellen Wandel? Ganz einfach, zurück zum Beispiel Kamera: Früher war ein Foto etwas Besonderes, wurde unter Umständen lange vorbereitet, die Umgebungsbedingungen (Sonne, Helligkeit etc.) mussten passen. Fotos mussten teils aufwendig entwickelt werden. Man musste also schon ein wenig warten, bis man das Foto dann schlussendlich in tatsächlicher Papierform in der Hand halten konnte. Die Qualität der Kamera und des Materials spielten sehr wichtige Rollen, da diese auch Auswirkungen auf die Haltbarkeit hatte. Fotos wurden in Fotoalben mühsam eingearbeitet (geschoben, geklemmt, geklebt – Möglichkeiten gab es viele). Man könnte die Vergleichsliste noch ziemlich weit ausbauen. Alles in allem: Man konnte Fotografie noch „fühlen“, mit den Sinnen erfahren und musste sich auf das „Fotografieren“ wahrlich vorbereiten.
Heute wird jederzeit und spontan fotografiert, die Qualität spielt nicht mehr unbedingt die wichtige Rolle – man kann ja digitale Fotos problemlos bearbeiten (lassen). Die Aufbewahrung ist einfach. Da alles in digitaler Form vorliegt, brauch man kein Fotoalbum mehr, um sich mit Freunden oder der Familie die letzten Urlaubsfotos anzuschauen. Fotos werden über diverse Medien verteilt (z.B. WhatsApp, Instagram, Facebook etc. etc.). Was gleichzeitig Fluch und Segen ist – im Internet veröffentlichte Fotos werden z.B. niemals vergessen, sind aber jederzeit verfügbar. Viele Menschen lassen digitale Fotos gar nicht mehr auf Papier bringen. Fotos können überall problemlos und ohne großen Aufwand eingearbeitet werden. Abgelegt werden Fotos mittlerweile oft in einer Cloud, was dann zur Folge hat, dass man auf diese Fotos von überall her ständig zugreifen kann, aber gleichzeitig auch die Gefahr mit sich bringt, dass die Fotos durch Hacker oder ähnliche Themen gestohlen werden.
Damit ist die Fotografie irgendwie nichts mehr so besonderes, wie noch zu analogen Zeiten. Jederzeit möglich, jederzeit verfügbar. Das hat auch etwas mit dem Menschen angestellt, da man damit auch einfach unbeschwerter (aber oft auch unbedachter) umgeht, als früher.
Fluch und Segen – ich denke die Gesellschaft wird sich noch stark weiterentwickeln und den Umgang mit den Effekten der „Digitalisierung“ lernen müssen.
Ja, tatsächlich stellt dieses „Digitalisieren“ einen Wirbelsturm da, der durch die Menschheit tiefe Schneisen der Veränderung zieht. Nein, damit sind keinesfalls nur negative Folgen gemeint – ganz im Gegenteil. Unglaublich viele neue Möglichkeiten haben sich ergeben. Dinge, die früher nur ScienceFiction-Liebhabern bekannt waren (z.B. Tablets oder Handys, die gab es schon weit vor der tatsächlichen Entwicklung in vielen SciFi-Filmen), sind heute Realität und allgegenwärtig. Dem Menschen hat dies an vielen Stellen geholfen, sei es die deutlich vereinfachte Kommunikation über große Entfernungen hinweg. Oder die Möglichkeit Dinge digital bearbeiten zu können. Auch sind jede Menge neue Berufe entstanden. Sehr wichtig sind die vielen bahnbrechende Neuerungen und Verbesserungen im medizinischen Bereich. Oder die vielen neuen Möglichkeiten, wie Menschen, Unternehmen und Gruppierungen sich weltweit präsentieren können etc. etc. Auch diese Liste kann man unendlich fortführen.
Im Umkehrschluss dazu sind es halt gerade auch diese vielen Möglichkeiten, mit denen der Mensch erstmal umgehen und haushalten lernen muss. Mit haushalten meine ich tatsächlich, dass es viele Themen gibt, die oft maßlos und unbedacht konsumiert werden. Auch hier möchte ich vorab anmerken, dass ich keinesfalls belehren oder meckern möchte – ich bewerte einfach nur die aktuell erlebte Situation. Beispiele für maßloses haushalten sind z.B. unkontrollierte Nutzung digitaler Medien.
Aus Elternsicht ist das Internet eigentlich ein Graus für jedes heranwachsende Kind im Sinne der Gefahr, dass dort oft auch bei völlig harmlosen Suchwörtern unangebrachte Inhalte angezeigt werden oder auch gezielt unkontrolliert aufgerufen werden können. Maßloses und unkontrolliertes „Zocken“ ist ein weiteres Beispiel. Ich sehe leider immer mehr Kinder schon im Alter ab 3 mit dem Tablet oder Handy ihrer Eltern spielen – im Vergleich dazu hat man früher Kinder in dem Alter eher im Garten oder auf dem Spielplatz antreffen können. Oder die „WhatsApp“-Kultur sei noch genannt. Ich habe es oft selber erleben müssen, dass Dinge lieber geschrieben wurden anstatt zu telefonieren. Und damit werden völlig falschen Interpretationen freien Lauf gegeben, weil man über WhatsApp nun mal keinerlei Emotionen übermitteln kann und die geschriebenen Sätze oft missinterpretiert werden (können).
Aber zum Thema unserer Kinder muss man auch wieder viele positive Aspekte sehen und berücksichtigen in der Bewertung der „Digitalisierung“. Die Lernmöglichkeiten haben sich enorm erweitert bzw. verbessert. Denken wir da mal an den digitalen Unterricht. Tablets im Unterricht, mit denen das Lernen interaktiv gestaltet werden kann. Die vielen neuen Berufe erfordern außerdem eine sehr frühzeitige Berührung mit dem Thema. Softwaredesigner kann man nicht werden, wenn man nicht auch den frühzeitigen Hang zum technischen hat. Oder nehmen wir die Vielfalt an verfügbarer Kultur (Musik, Wissensplattformen etc.). Das spielt bei der Entwicklung mittlerweile auch eine wichtige Rolle.
Zusammenfassend kann man also feststellen, dass „Digitalisieren“ weitaus mehr darstellt, als eine bloße Technologie. Vielmehr hat sich dadurch die Gesellschaft und der Mensch als solches in seinem Denken und Handel verändert.
Schlagwörter wie z.B. „ständige Verfügbarkeit“, „jederzeit veränderbar“, „weltweit erreichbar“ oder „globale Kommunikation“ stellen nur einige wenige Fakten dar, die damit einhergehen. Es hat sich auch sehr stark verändert, wie Menschen „erreicht“ werden können. Wie sie in Ihren Meinungen, Äußerungen und Schlussfolgerungen gefordert, gefördert aber auch gleichzeitig manipuliert werden können (siehe z.B. Marketing).
Auch in Sachen Emanzipation (im Sinne vom Auflösen von Abhängigkeiten) hat sich bereits viel verändert. Menschen brauchen nicht mehr für jede Sache andere Menschen wie früher. Nehmen wir hier z.B. die Bank – früher musste man zur Bank gehen um Geld zu transferieren. Heute erledigt man das im Browser oder in Apps. Man war auch abhängig vom „Händler“ vor Ort und dessen Preis- und Produktpolitik – heute steht jedem Menschen mit Internetzugang das größte Warenhaus der Welt offen: Das Internet!
Partizipation wird gefühlt neu definiert – jeder Mensch kann in der Regel über Grenzen hinweg an Themen, Veranstaltungen, Emotionen teilhaben. Ohne sich dazu aus dem Haus bewegen zu müssen.
Doch was hat das alles mit Unternehmen und Unternehmenskultur zu tun?
Auch in fast allen Unternehmen der heutigen Zeit hat die Digitalisierung gravierende Veränderungen hervorgerufen. Neben kulturellen Veränderungen haben sich aber vor allem interne „Prozesse“ verändert.
Das kann man zum Beispiel an veränderte Herstellungsprozesse ausmachen. Nehmen wir z.B. die Autoindustrie, in der heute schon viele Menschen durch automatisierte Maschinen (auch Roboter genannt) „ersetzt“ worden sind. Hier sei als Schlagwort „Industrie 4.0“ genannt.
Die Kommunikation hat sich ebenfalls grundlegend verändert, sei es die unternehmensinterne (WhatsApp-Gruppen, E-Mail, Skype etc.), oder die externe Kommunikation zum Kunden (Marketing, digitale Läden etc.). Ein Schlagwort wäre da z.B. „digitales Marketing“.
Mitarbeiter erwarten plötzlich Dinge von Unternehmen, die früher nie eine Rolle gespielt haben. Hier sei das Schlagwort „moderner Arbeitsplatz / Arbeitgeber“.
Und noch viel wichtiger ist es mittlerweile, sich der globalen Handelsplattform „Internet“ zu stellen. Der Händler vor Ort ist oft nur noch „Berater“ – gekauft wird im Netz. Ständig geöffnet. Jederzeit verfügbare Ware. Permanent verfügbare Erfahrungsberichte anderer Kunden (Foren, Blogs, Rezensionen etc.). Beste Preise (auch wenn die oft gar nicht günstiger als beim Händler vor Ort sind). Unglaublich viele Kanäle, über denen man Kunden reizen oder ansprechen kann.
Ein Unternehmen zu digitalisieren bzw. auf die heutige Zeit weiterzuentwickeln, birgt sehr viele Herausforderungen und Risiken, aber vor allem viel mehr Chancen. Natürlich spielt hier der Mensch wieder die entscheidende Rolle. Nur wenn Menschen und Mitarbeiter hinter den Dingen und veränderten Prozessen stehen, werden diesen Erfolg bringen.
Sehr viele Themen und Hintergründe, über die man Stunden weiterschreiben kann. Auf all diese Themen gehe ich im weiteren Verlauf der Blogreihe zur „Digitalisierung“ ein.
©Time4Innovation | Oliver Schmidt